Chefin mit 25 Jahren
Sie ist Küchenchefin in der Villa Honegg in Ennetbürgen. Die Stelle hat Nadine Stadelmann mit nur 25 Jahren angetreten. Heute hat sie ihre eigene Handschrift gefunden. Die Luzernerin kocht mit dem, was die Region anzubieten hat. Und sie hat sich mit ihrer Führungsposition angefreundet.
Ein Zweig Rosmarin, eine Karotte, ein Schwingbesen, die chemische Formel von Koffein und Salz. Diese Symbole hat sich Nadine Stadelmann, Küchenchefin im Hotel Villa Honegg, auf den rechten Unterarm tätowiert. Sie sind Ausdruck der Liebe zu dem, was die junge Köchin tagtäglich macht: Kochen. Und auch ein Indiz für das kleine, aber unter Köchinnen und Köchen durchaus verbreitete Laster der Koffeinsucht. «Ich muss schon schauen, dass ich unter zehn Espressi pro Tag bleibe», gibt sie zu.
Der erhöhte Koffeinbedarf hat aber durchaus seine Berechtigung. Das letzte Jahr war intensiv. Seit März 2025 ist Stadelmann Küchenchefin im Boutiquehotel auf dem Bürgenstock. Zuvor war sie zwei Jahre lang Souschefin. Als ihr Vorgänger Philipp Keller das Haus verlässt, kommt die Hotelleitung auf die junge Köchin zu – da ist Stadelmann gerade erst 25 Jahre alt. «Ich habe nicht lange überlegt, nur eine Nacht drüber geschlafen», sagt sie. «Ich habe mir das zugetraut. Ich kenne das Haus, die Mitarbeiter und auch unsere Gäste. Es war der perfekte Zeitpunkt.»
Essen war für Nadine schon immer ein grosses Thema. «Schon als ich vier oder fünf Jahre alt war, habe ich meiner Mutter beim Kochen geholfen», erinnert sie sich. Für sie ist schnell klar: Sie will Köchin werden. «Aber ich musste für meinen Wunsch kämpfen. Man hat mir gesagt, dass ich mit meinen Noten auch in die Kanti könnte. Zum Glück standen meine Eltern hinter mir und haben gesagt, ich solle das machen, was ich wolle.» Die Lehre absolviert sie bei Mario Waldispühl in der «Krone Blatten» in Malters. «Diese Zeit ist für mich nur mit guten Momenten verbunden. Wir hatten es zwar streng, aber es herrschte eine tolle Atmosphäre. Wir funktionierten als Team», schwärmt Stadelmann.
Nach der Lehre zieht sie weiter. Zu Pascal Steffen ins «Roots» in Basel. «Mario und Pascal sind zusammen in die Berufsschule gegangen, deshalb konnte ich mich dort vorstellen. Es hat sofort gematcht.» Steffen ist bekannt für seinen Fokus aufs Gemüse. «Ich habe von ihm gelernt, dass Gemüse nicht nur Beilagen sind. Das hat sicher auf mich abgefärbt.»
Heute kocht Stadelmann naturnah, aber zugänglich. «Wir haben die Berge, die Wiesen, die Wälder und den See direkt vor der Haustür. Diese Produkte verwende ich für meine Küche. Meerfisch zum Beispiel setze ich gar nicht auf die Karte», sagt Stadelmann. Dann lieber einen Stör aus Frutigen. Diesen pochiert sie und serviert ihn mit geröstetem Kürbispüree und einem Kürbistaler. Dazu gibt es Nussbuttersauce, Liebstöckelöl und natürlich eine grosszügige Nocke Kaviar.
Stadelmann arbeitet eng mit den Produzentinnen und Produzenten der Region zusammen. Die Forelle stammt aus einer Zucht in Ennetbürgen, das Gemüse vom Hof Obermisli in Obbürgen und die Pilze kommen aus Kerns. Die Eier sind von Barmettler in Ennetbürgen, Ziegenkäse liefert Toni Odermatt. Das Fleisch kauft sie bei Holzen Fleisch oder der Metzgerei Stalden. So landet auch mal ein geschmorter und gezupfter Ochsenschwanz mit Serviettenknödel mit Wollschweinspeck auf der Karte. Dazu gibts einen karamellisierten Zwiebelespuma, getrocknete Holunderbeeren aus dem Garten und Federkohlchips. Auch beim Dessert schöpft Nadine aus der Umgebung. Der Honig für den Honig-Taco stammt von den hoteleigenen Bienen. Dazu gibts eine Mädesüss-Creme, Sanddorn-Sorbet und die letzten frischen Blüten aus dem Hotelgarten.
Am Anfang hat die Idee, eine Führungskraft zu sein, Unruhe in mir ausgelöst. Ich hatte grossen Respekt vor dieser Aufgabe. Aber ich wusste, wir sind ein cooles Team, wir schaffen das gemeinsam.
Nadine blickt zufrieden auf die letzten Monate zurück. «Am Anfang hat die Idee, eine Führungskraft zu sein, Unruhe in mir ausgelöst. Ich hatte grossen Respekt vor dieser Aufgabe. Aber ich wusste, wir sind ein cooles Team, wir schaffen das gemeinsam. Alle arbeiten miteinander und füreinander. Aber es wird auch respektiert, was ich sage.» Eine weitere Herausforderung für die junge Chefin ist auch die Klientel. Die Villa Honegg ist sieben Tage geöffnet, immer mit Mittag- und Abendservice. Viele Hotelgäste essen im Restaurant, mittlerweile finden auch externe Gäste auf den Berg. Im Sommer hats viele Wanderer. Und dann gibts noch die, die wegen des Pools in die Villa Honegg einchecken. Vor neun Jahren ist ein Video des Infinity Pools auf Social Media viral gegangen. Das war lange vor Nadines Zeit. «Der Pool ist Fluch und Segen zugleich. Einige Gäste kommen vielleicht nur wegen des Pools, aber mittlerweile wissen sie auch, dass sie hier sehr gut essen können.»
Text: Kathia Baltisberger, Fotos: Olivia Pulver, Datum: 09.12.2025
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