Bodenständig, aber feminin
Das Restaurant «Drei Stuben» in Zürich ist bekannt für Wild. Küchenchefin Corin Schmid mag die traditionellen Gerichte, verleiht ihr aber einen femininen Schliff. Dabei setzt sie auf Wild aus dem Zürcher Oberland und Mitbringsel von ihrer persönlichen «Waldfee».
Manchmal muss man Glück haben. Corin Schmid läuft mit den Hunden ihrer Eltern durch den Wald und entdeckt plötzlich einen Pilz an einem Baum. «Ich dachte, das könnte Chicken of the Woods sein, doch ich war mir nicht sicher», erzählt die Küchenchefin des Restaurants «Drei Stuben» in Zürich. Um zu verifizieren, ob es sich um den auch als gemeiner Schwefelporling bekannten Pilz handelt, ruft Schmid bei ihrem Pilzlieferanten an. Ein Volltreffer! «Diesen Pilz findet man nicht so häufig, also habe ich ganz viel davon gesammelt und mit ins Restaurant genommen. Am Ende waren es 14 Kilogramm Chicken of the Woods.»
Das passt perfekt, denn im Restaurant «Drei Stuben» ist die Wildsaison in vollem Gange. Aus der seltenen Delikatesse hat Schmid eine Velouté gemacht, die sie an eine herbstliche Vorspeise angiesst: konfiertes Eigelb mit Estragoncreme und Steinpilzen. «Die Wildsaison ist meine Lieblingssaison. Alle freuen sich auf Spätzli und Rotkraut, draussen herbstet es und drinnen ist es pumpenvoll. Das ist einfach eine schöne Zeit», sagt Schmid. «Wir haben uns in den letzten drei Jahren damit einen Namen gemacht und sind auch sehr stolz darauf. Denn wir pflegen einen sehr guten Kontakt zu den Jägern im Züri Oberland.»
Wie viel Zürcher Wild die Jäger dieses Jahr schiessen, ist noch nicht ganz klar. «Es gibt einen Luchs im Oberland. Der reisst Rehe, um seine Jungen zu versorgen», erklärt Schmid. Aber das ist der Lauf der Natur. Zur «Not» weicht sie auf Bündner Wild aus. Ganz sicher wird das Wild aber immer aus der Schweiz sein, das ist Schmid wichtig. Neben ihren lokalen Produzenten vertraut Schmid auch auf ihre «Waldfee» Helga. «Sie ist eine ältere Frau, die in den Wäldern Kräuter, Pilze und Beeren sammelt und uns vorbeibringt.»
Corin Schmid wusste schon früh, dass sie Köchin werden will. «Wir hatten früher Säuli, Hühner, Hasen und Gänse. Wir haben selber geschlachtet, gewurstet und geräuchert. Essen hat bei uns immer eine grosse Rolle gespielt.» Bei der Schnupperlehre erklärte ihr eine Frau, wie man ein French Dressing macht. «Ich war so fasziniert von der Emulsion, da wusste ich, ich möchte Köchin werden und noch mehr solche Dinge lernen», erinnert sie sich heute und lacht. Die Lehre absolviert Schmid im Hotel Metropol in Arbon. Danach arbeitet sie als Pâtissière im «Netts» in St. Gallen und zieht dann weiter nach Zürich – und landet ein erstes Mal im Restaurant «Drei Stuben». «Nach dieser Stelle als Chef de Partie wechselte ich in den Service, weil ich unbedingt auch die andere Seite kennenlernen wollte.»
Die einschneidendste Veränderung in Schmids Leben passiert jedoch, während sie im Waldhaus Flims arbeitet: «Plötzlich klingelte das Telefon. Ich ging ran und man sagte mir, dass ich zu einem Probekochen bei Anton Mosimann in London eingeladen sei. Dabei hatte ich mich gar nie beworben!» Was Schmid zum Zeitpunkt des Telefonats nicht weiss: «Mein Vater hat sich heimlich für mich beworben.» Corin Schmid fliegt nach London, stellt sich vor und bleibt vier Jahre an Mosimanns Seite. «Er hat zwar nicht jeden Tag voll mitgekocht. Aber er kam jeden Morgen, schüttelte allen die Hand und dann hat er uns etwas vorgezeigt.»
Der berühmte Schweizer Koch durfte unzählige Male die britischen Royals bekochen – und auch Corin Schmid kommt in diesen Genuss. «Wir hatten ein Catering im Buckingham Palace. Wir mussten natürlich durch den Personaleingang rein. Aber Anton hat gesagt: ‹Kommt mal mit! Jetzt zeige ich euch etwas.› Und dann sind wir durch die Gänge des Palastes gelaufen und Anton ist einfach in jedes Zimmer rein und hat uns eine richtige Tour gegeben.»
Zurück in der Schweiz heuert Corin Schmid im «The Artisan» in Zürich Wipkingen an. Sie arbeitet sich immer weiter hoch bis zur Küchenchefin. Vor drei Jahren beschliesst Artisan-Inhaber Mark Thommen, auch das «Drei Stuben» zu übernehmen. «Jetzt bin ich Küchenchefin in beiden Betrieben. Ich bin verantwortlich für das kreative Angebot, schreibe die Karten und mache die Planung. Ich bin mal hier, mal dort – wo es mich gerade am meisten braucht.»
Das «The Artisan» ist ein modernes, urbanes Restaurant, das vor allem mit Produkten aus dem eigenen Garten arbeitet. Das «Drei Stuben» ist traditioneller. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. «Wir haben zwar ein Cordon-bleu auf der Karte, aber wir sind keine klassische Cordon-bleu-Beiz. Ich mag Gerichte mit Tradition und viel Handwerkskunst. Aber ich möchte diese Gerichte leichter interpretieren und etwas Feminines hineinbringen.» So scheut sich Schmid nicht, auch mal eine Kalbszunge auf die Karte zu schreiben. Dazu gibt es Meerrettich-Creme, Senfsamen-Vinaigrette und Liebstöckel-Creme. Und natürlich dürfen auch die Spätzli und das Rotkraut nicht fehlen. Die gibt es nämlich zum Rehrücken. Und auch Vegis werden glücklich. Zum Hauptgang gibt es einen Gewürzkürbis mit Mandarinen-Kürbis-Soffritto und Geissen Käse.
Text: Kathia Baltisberger, Fotos: Olivia Pulver, Datum: 06.11.2025
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